Wir laufen! Weil es dazugehört!

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Wir laufen! Weil es dazugehört!

Sie läuft. Ihre bunten Laufschuhe bewegen sich im gleichmäßigen Rhythmus über den Waldboden. Wie selbstverständlich setzt sie einen Schritt vor den anderen. Ihr Pferdeschwanz wippt im Takt hinter ihr her. Sie hört nur auf ihren Körper, den Klängen der Natur und den Piepton ihrer GPS-Uhr, der ihr jeden vollendeten Kilometer ankündigt. Was heute den Status der Normalität erlangt hat, war vor nicht allzu langer Zeit ein intensives Freiheitsgefühl.


Frau läuft heute nicht mehr allein. Fast überall auf der Welt laufen Frauen jeden Alters, Statur oder sozialer Herkunft. Die Gründe sind vielfältig. Sie laufen, weil sie sich dadurch fit, vital und gesund fühlen, um Kalorien zu verbrennen oder Stress abzubauen. In Österreich drehen ähnlich viele Hobbyläuferinnen wie -läufer ihre regelmäßigen Laufrunden. Diversen Beobachtungen zu Folge, manche davon unter wissenschaftlichen Kriterien, ist die Gruppe der jungen Frauen jene, die anteilsmäßig am meisten zu höheren Laufaktivitäten seit Pandemiebeginn beigetragen hat. Die weltweit führenden Sportartikelhersteller treten mit speziellen Mode-Kollektionen für Frauen auf den Markt, es werden Laufschuhe für die Bedürfnisse von Läuferinnen konstruiert. Auch die Laufveranstalter sprechen seit Jahren verstärkt Läuferinnen an. In den USA sind Läuferinnen bei Laufevents oft schon in der Überzahl, in Europa steigt der Anteil kontinuierlich, aber noch auf niedrigerem Niveau. Einer bemerkenswert großen Beliebtheit erfreuen sich Läufe ausschließlich für Frauen. Über Jahre konstant über 30.000 Teilnehmerinnen aus rund 100 Nationen sind beim Österreichischen Frauenlauf in Wien aktiv. Damit spielt er in der ersten Liga der Frauenläufe weltweit. Der Salzburger Frauenlauf, der am 1. Oktober sein Comeback nach der Pause feiert, spielt in der ersten Liga der Frauenläufe in Österreich.

Eine soziale, kulturelle und intellektuelle Revolution

Wie ist der Trend zu begründen, dass der Laufsport immer mehr Frauen begeistert? Die Entwicklung des Frauenlaufs ist eng verknüpft mit der Emanzipation der Frau. Wäre die Frage, warum die Frau läuft, eine gesellschaftliche, dann würde die Antwort lauten: Weil sie es kann! Die Fähigkeit zu laufen, hatten Frauen schon immer. Die gesellschaftliche Erlaubnis hingegen kam reichlich spät. Für die Läuferin von heute, die regelmäßig ihre Laufschuhe schnürt, ist es unvorstellbar, dass der Frau noch vor wenigen Jahrzehnten das Recht auf Bewegung aufgrund ihres Geschlechts abgesprochen wurde. Als sich im 19. Jahrhundert der Sport als Freizeitbeschäftigung zu etablieren begann, wurden Frauen vielfach sogar kategorisch ausgeschlossen. Die ersten Olympischen Spiele der Moderne im Jahr 1896 blieben ein Ereignis für Männer. Die einzige Aufgabe der Frauen bestand darin, den Athleten zu applaudieren.

Bei den Errungenschaften der sportlichen Bewegung der jüngsten Zeit geht es jedoch um viel mehr, als nur darum, ob Frauen bei einem Laufevent an den Start gehen dürfen oder nicht. Es handelt sich dabei um eine soziale, kulturelle und intellektuelle Revolution, die mit der Entwicklung von Frauenrechten einhergegangen ist. Dass dieses Recht mittlerweile für uns zur Selbstverständlichkeit geworden ist, zeigt die Früchte dieser Revolution. Jede Läuferin – und auch jeder Läufer – kennt die unzähligen positiven Effekte des Laufens auf das körperliche und geistige Wohlbefinden. Dieses Recht zu verwehren, ist ein Eingriff in die persönliche Selbstentwicklung.

Laufen macht stark, vital und selbstbewusst

Wenn moderne Frauen ihre Laufschuhe schnüren, um eine Runde im Park zu drehen, dann tun sie das auch, weil viele Läuferinnen vor ihr dieses Recht hart erkämpft haben. Dann nutzen sie ihr Recht auf Freiraum, Bewegung und Gesundheit. Sie laufen, weil das Laufen sie stark, vital und selbstbewusst macht. Aber vor allem laufen sie, weil sie es können! Weil es normal ist! Und weil es zu einem aktiven, gesunden Lebensstil dazugehört!


Dieser Text erschien als längere Reportage von Doris Mair im Laufmagazin RunUp, Ausgabe Sommer 2016