Beziehungen in Bewegung

© Salzburger Frauenlauf / Alexander Schwarz

Beziehungen in Bewegung

Zwei Faktoren sind wesentlich für emotionale und körperliche Gesundheit: gute zwischenmenschliche Beziehungen und ausreichend Bewegung. Beim gemeinsamen Laufen lässt sich beides hervorragend vereinen.


Seit über acht Jahrzehnten sammeln Forscher*innen an der Harvard University Daten von über 2.000 Personen, um zu erfahren, was Menschen glücklich macht. Erste Ergebnisse aus den regelmäßigen Befragungen und Analysen von Gesundheitsdaten dieser beispiellosen Langzeit-Forschung wurden vor kurzem im Buch „The Good Life“ veröffentlicht. Allen individuellen Unterschieden und den abweichenden Herausforderungen der Generationen zum Trotz kristallisierte sich ein Faktor als der stabil zentrale für Wohlbefinden heraus: gute, zwischenmenschliche Beziehungen. Andere bekannte Komponenten, die einem gesunden Lebensstil zugeschrieben werden, darunter auch Sport, mögen auf individueller Ebene große Effekte erzielen, seien aber nicht der unverzichtbare Schlüsselfaktor für subjektives Wohlbefinden und folglich, auf Basis besserer Blutwerte und niedrigerem Stresslevel, ein gesünderes, längeres Leben.


Oxytocin, das Beziehungshormon

Für die Salzburger Psychotherapeutin und Sportwissenschaftlerin Alexandra Haller-Knopp sind diese Erkenntnisse keine Überraschung. „Um eine gute seelische und körperliche Gesundheit aufrecht zu erhalten, brauche ich zumindest fünf stabile Beziehungen“, zitiert sie aus einer breiten fachspezifischen Evidenz. Die Kompetenz sozial zu agieren und der Drang zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen liegt in der menschlichen Natur. Die entsprechenden limbischen Strukturen haben sich in Gehirnen von Säugetieren bereits vor Jahrmillionen entwickelt, damals im Interesse des Sicherheitsbedürfnisses und der Arterhaltung. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Beziehungshormon Oxytocin, das bei der Pflege von engen und konstanten Beziehungen ständig ausgeschüttet wird. „Oxytocin hat einen hohen Stellenwert bei der Immunabwehr. Ohne eine regelmäßige Ausschüttung von Oxytocin werden wir krank. Nicht nur psychisch, sondern auch körperlich“, erklärt Haller-Knopp. „Vor diesem biologischen Hintergrund ist es zutiefst gesund für uns, Beziehungen einzugehen und diese zu leben!“ Dabei gehe es nicht nur um Partnerschaften, sondern auch um freundschaftliche Beziehungen innerhalb und außerhalb der Familie, deren Konstanz sich durch  mehrfache Kontakte pro Monat äußert, die eine Art Zugehörigkeitsgefühl entwickeln.

Zudem nennt die Expertin auf Basis ihrer Berufserfahrungen eine zweite wichtige Zutat für Wohlbefinden: sportliche Aktivität. Erstens funktionieren viele lebenswichtige Funktionen in Kombination mit körperlicher Fitness erwiesenermaßen besser, zweitens leiden Menschen, die zumindest die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für eine gesunde Art zu leben umsetzen, wesentlich seltener an Erschöpfungskrankheiten. Die WHO-Leitlinien umfassen ein Bewegungspensum von mindestens 150 Minuten moderater bis intensiver Bewegung und zwei kurze Einheiten muskulärer Kräftigungsübungen pro Woche.


Die Natur wirkt heilsam

Gemeinsam Sport zu treiben, eine Laufrunde zu zweit, eine Radtour mit der Familie, eine Wanderung in der Gruppe, bildet eine ideale Schnittstelle für beide Gesunderhaltungsstrategien. Haller-Knopp schwärmt: „Die Pflege von guten Beziehungen beim gemeinsamen Ausüben von Bewegung ist die Essenz der emotionalen, aber auch mentalen Gesunderhaltung!“ Eine wichtige Rolle nimmt dabei auch die Natur ein. Laufen auf dem Laufband und Laufen in freier Natur haben nicht dieselbe Wirkung. „Die Umgebungsschwingungen der Natur sind ausgesprochen heilsam für uns“, erklärt die Expertin einen Punkt, der auch ein Grundpfeiler in ihrer Arbeit mit Patient*innen in der Praxis ist: „Die gemeinsame Arbeit in der Therapie hat keinen Sinn, wenn meine Patient*innen nicht regelmäßig an der frischen Luft sind!“


Das Gemeinsame ist ein Anreiz

Du verspürst jetzt den Drang mit dem Laufen zu beginnen? Mehr Zeit aktiv und in der Natur zu verbringen? Das Miteinander im freundschaftlichem Kontakt bietet die optimale Voraussetzung, die bekannten Eingangshürden mit der Motivation zu meistern. Fixe Verabredungen mit einer Freundin oder einem Freund lässt unser beziehungsorientiertes Denken nur schwer absagen, wir wollen naturgemäß andere nicht enttäuschen. Und so wird aus singulären „Lauf-Dates“ rasch Routine. Siebenmal sei ein gezielter Anstoß, eine Motivationshilfe wichtig, erklärt die Psychotherapeutin. Dann führt die neurologische Bahnung dazu, dass Verhalten mit all seinen Eigenschaften und Erfahrungen abgespeichert wird. Eben auch die Erkenntnis, dass regelmäßige sportliche Bewegung das individuelle Wohlbefinden steigert.

Durch unsere Empathiefähigkeit hat das Miteinander einen weiteren, spannenden Vorteil. Dank sogenannter Spiegelneuronen sind wir in der Lage, über Mitempfinden bei Handlungsausübung von anderen Prozesse im eigenen Körper anzuregen. Wir lassen uns anstecken, zum Beispiel von guter Laune. Sehen wir also eine zufriedene Läuferin oder einen zufriedenen Läufer, verspüren wir, sofern wir bereits Erfahrungen mit dem Laufen gemacht haben, einen positiven Reiz, spricht Haller-Knopp über ein faszinierendes Phänomen. Unser Mitspüren führt gar dazu, dass wir minimal mittrainieren, wenn wir jemanden beim Training zuschauen. Es ist also nicht nur das Laufen in Gemeinschaft per se, das ansteckend wirkt, sondern auch unsere Laufpartner*innen. Eine echte Win-Win-Situation!


Dieser Artikel erschien am 3. März 2023 in der SN-Beilage „Startklar“.